"Wachstum durch soziale Verantwortung: SA8000"
(Nachdruck aus "Financial Times Deutschland", 17.5.2000)

Die Übernahme sozialer und ethischer Verantwortung wird für global operierende Unternehmen in der Bewertung durch Shareholder und Stakeholder ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal werden. "SA8000 Social Accountability" ist hierfür ein leicht verständlicher, messbarer und nachweisbarer Standard.

Wachstum durch soziale Verantwortung: SA8000
Externe Zertifizierung der Sozialkompetenz als Wettbewerbsvorteil
Von Ulrich Finkenzeller und Ingo Peter

Soziale und ethische Verantwortung

Was haben die Unternehmen Mattel, General Motors und C&A gemeinsam? – Die freiwillige Verpflichtung zu weitreichender sozialer Verantwortung, indem sie durch eigene oder unabhängige Beauftragte mit z.T. eigens dafür gegründeten Tochterfirmen unter Millionenaufwand ihre Abteilungen und Zulieferbetriebe nach einem selbst auferlegten “Code of Conduct” überprüften. Nachdem Mattel etwa über 25 Mio. $ in diese Kontrollen und Verbesserungen von Arbeitsbedingungen investierte und die Geschäftsbeziehungen zu 15 Partnern, welche die Tests nicht bestanden hatten, abbrach, honorierten die Aktionäre diese Politik durch eine Kurssteigerung.

SA8000: Standard für Sozialkompetenz

Jetzt können dem Shareholder Value verpflichtete Manager auf einen neuen externen Verhaltenskodex für Unternehmen zurückgreifen. Mit der Einführung des ersten, extern zertifizierbaren und weltweit einheitlichen Standards für soziale Verantwortung - Social Accountability 8000 - ist ein Schritt getan, mit dem weltweit Elemente sozialer Verantwortung umgesetzt und geprüft werden.

Elemente des Sozialstandards SA8000:

Auf Basis existierender internationaler Rechte - wie die "Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen, die Konventionen der International Labour Organisation (ILO) und die UN-Konventionen zum Schutz von Kindern - wurde SA8000 im Jahre 1997 geschaffen. Der Standard SA8000 gibt leicht verständliche, messbare und nachweisbare Normen vor.

Träger der Initiative ist CEPAA (Council on Economic Priorities Accreditation Agency), eine Non-Profit Organisation mit Sitz in New York, die sich durch Mitgliedsbeiträge, Zuwendungen der Rockefeller Foundation und aus anderen Quellen finanziert. Im CEPAA Advisory Board finden sich u.a. Vertreter von Avon Products, Inc., Toys „R“ Us, und auch der Otto-Versand.

Die besonderen Aspekte des neuen Standards zeigen sich zum Beispiel beim Umgang mit Kinderarbeit. Wird Kinderarbeit angetroffen (in den meisten Ländern liegt die Altersgrenze bei 15 Jahren), sind mittelfristig abgestufte Maßnahmen zu ergreifen, denn eine sofortige Trennung von den Kindern kann u.U. zu einer Verschärfung sozialer Probleme (Familie ohne Einkommen, Kriminalität oder gar Kinderprostitution) führen. Es kann aber trotzdem zu einer positiven Bewertung kommen, wenn der Arbeitgeber glaubhaft bestimmte Korrekturmaßnahmen trifft. Ähnliches gilt für die anderen Elemente.

Inzwischen haben sich erste Firmen in Amerika, Asien und Europa, u. a. Avon und COOP Italia, auf dieser Basis extern zertifizieren lassen.

Implementierung von SA8000

Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung ist das Committment des Topmanagements. Nach Festlegung, Bekanntgabe, Umsetzung und Nachweis des Standards kann eine externe Begutachtung zur gewünschten Zertifizierung führen. Auch hier gilt in Analogie zur Situation bei Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen: Nicht die Zertifizierungskosten (im Bereich 5000 EUR bis über 50.000 EUR, abhängig von der Unternehmensgröße), sondern die in der Regel wesentlich höheren internen Projektkosten bestimmen die Gesamtkosten der Implementierung.  Der Zeitaufwand für die Prüfung selbst beträgt mehrere Tage, insbesondere vor Ort bei Lieferanten. Im Rahmen der internen Projekte suchten bislang Unternehmen hierzu auch schon mal Kontakt zur Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) für eine Entwicklungszusammenarbeit in der dritten Welt. Um den Bedarf für externe Zertifizierungen zu decken setzt sich in Deutschland zur Zeit die DQS - Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen mbH, unter vergleichbaren Institutionen die wohl renommierteste ihrer Art, in Abstimmung mit ihren internationalen Niederlassungen intensiv mit dem Standard auseinander.

Bei der Einführung von SA8000 muss nicht sofort von der Firmenzentrale bis zum kleinsten Vorlieferanten in China alles lückenlos belegt sein. Für den Firmenhauptsitz, Lieferanten, Unterlieferanten, Händler und Broker gelten unterschiedliche Zeitskalen. Wichtig aber ist, dass der Prozess zur Verbesserung der Sozialkompetenz angestoßen wird. Lieferanten müssen ihrerseits verbindlich erklären, dass und wann sie mit einer Implementierung beginnen.

Die Verbesserung der sozialen Bedingungen ist wichtiger als das "Erbsenzählen". Jede Abweichung erfordert jedoch zur Verbesserung eine spezifische Einzelregelung. Reviews des zertifizierten Systems finden alle 6 Monate statt.

Verantwortung übernehmen

Was jetzt noch ein Wettbewerbsvorteil einzelner ist, wird bald Voraussetzung für die Beteiligung an öffentlichen Aufträgen wie auch an Ausschreibungen multinationaler Unternehmen wie Disney, Otto-Versand u.a. und damit Erfolgsfaktor für Wachstum sein. SA8000 will bessere Lebensqualität für Menschen. Die Verbesserung des sozialen Umfelds in der Versorgungskette ist ein Beitrag der Industrienationen zum globalen, nachhaltigen Wachstum und wird ein Schlüsselelement für die Wertschätzung durch Shareholder und Stakeholder im 21. Jahrhundert werden.

Dr. Ulrich Finkenzeller (www.drfinkenzeller.de) ist Berater, externer ISO 9000 u. SA8000 Auditor und im strategischen Entwicklungs- und Innovationsmanagement tätig.
Dipl.-Vw. Ingo Peter (www.peterundpartner.de) ist Unternehmensberater, SA 8000 Auditor und mit Partnern in den Bereichen Innovationsfinanzierung, Management des Wandels und Existenzgründung tätig.

© Dr. U. Finkenzeller, Schwetzingen-Plankstadt und I. Peter, Berlin, 2000