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"Management und Evolutionsprinzipien"
Vorabdruck zur persönlichen Verwendung

Was haben Manangementpraxis und biologische Systeme gemeinsam? Die Antwort ist: Beide wollen die Optimierung und das langfristige Fortbestehen von komplexen Strukturen. Eine neuere Analyse des “Struggle for Life” und “Survival of the Fittest” führt zu 9 übergeordneten allgemeinen Regeln, die für stabile Systeme wesentlich sind. Der bewußte oder unbewußte Gebrauch dieser Regeln führt zu stabilen Strukturen in Unternehmen, Gesellschaften, biologischen Systemen und vielen anderen Bereichen.

Management und Evolutionsprinzipien
Ein Vergleich von Managementmethoden
mit entwicklungsgeschichtlich bewährten Organisationsformen
Von Ulrich Finkenzeller

Ziel: Optimierung von Systemen

Das Management von Staaten, Gesellschaften, Organisationen, Unternehmen, Bereichen, Haushalten, Familien oder von sich selbst gehorcht bestimmten Regeln. Zwischen bestimmten Aspekten der Managementwissenschaften und den Inhalten von Biologie, Ethnologie und Verhaltensforschung gibt es dabei Gemeinsamkeiten. Die unterschiedlichen Disziplinen verbindet das Streben nach Erkennen allgemeiner Prozesse der Optimierung und Stabilisierung von Systemen.

Die Analyse der Evolutionsprinzipien liefert neun Gesetzmäßigkeiten:

Die Beschreibung dieser 9 “Regeln erfolgreicher Systeme” (nach K. Kelly) und deren Übertragung und Validierung  in die Managementpraxis ist Gegenstand dieser Arbeit.

Management als Veränderungsprozeß

Was ist Management? Neben bekannten Abgrenzungen aus der Literatur wird hier folgenden Definition verwendet: “Management ist das Studieren und Herbeiführen von Veränderungen” sowie “Ziel von Management ist Prozeßverbesserung”. – Dieser Sichtweise kann das klassische darwinistische Selektionsprinzip als “natürliches Veränderungsmanagement” gegenübergestellt werden. Viele Aspekte des Managements sind aus allgemeinen Erscheinungen biologischer Systeme ableitbar, die sich über Millionen von Jahren bewährt haben. Klassisches Geschäftsmanagement ist die gewollte Systematisierung notwendiger Organisations- und Handlungsstrukturen.

Sowohl biologische Systeme als auch Unternehmen sind Strukturen, die sich nicht in einem stabilen Gleichgewicht mit der Umwelt befinden. Biologische Systeme versuchen sich gegen die Konkurrenz der Arten durchzusetzen. Managementsysteme versuchen sich im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gegebenheiten gegenüber Wettbewerbern zu behaupten. Die Natur hat als Ziel die langfristige Überlebensfähigkeit einer Art, gutes Management das langfristige Fortbestehen eines wertschöpfenden Prozesses zum Ziel.

Biologischer Darwinismus

Die Leistung von Charles Robert Darwin (1809 – 1882) beruht auf der Präzisierung und Anwendung bereits vorhandener sozialwissenschaftlicher Ansätzen auf die Biologie. Seine Arbeiten regten eine Fülle von weiteren Untersuchungen an. Die Selektionstheorie steht heute im Mittelpunkt der Biologie und ist auch auf gesellschafts- und geisteswissenschaftlichem Gebiet bis in die Politik weiterentwickelt worden.

Der biologische Darwinismus geht von zwei Grundvoraussetzungen aus:
1. Der erblichen Veränderbarkeit der Lebewesen durch Mutation und Selektion
2. Der Überproduktion von Nachkommen.
Im Konkurrenzkampf, dem “struggle for life”, werden diejenigen bevorzugt überleben, die ihrer Umwelt am besten angepaßt sind (“survival of the fittest”).

Die Selektionstheorie nimmt kleine Änderungen im Erbgut der Organismen an, welche die Eignung der Lebewesen positiv oder negativ beeinflussen. Durchschnittlich sind so die geeignetsten Lebewesen im Vorteil. Die natürliche Auslese hat im Lauf der Erdgeschichte zu einem allmählichen Wandel der Arten geführt und steht zu keinem Ergebnis der Biologie im Widerspruch.

Sozialer Darwinismus

Der Sozialdarwinismus versteht das Prinzip des Daseinskampfes auch als Grundform sozialer Beziehungen und gesellschaftlicher Entwicklung. In dieser weiter entwickelten Form der selektiven Evolution ist Entwicklung nicht mehr das Ergebnis von genetischen Prozessen, sondern durch Beobachtung, Wort und Schrift weitergegebener Erfahrungen. Sozialer Darwinismus ist daher ein wesentliches Element zum Aufbau unserer Kultur überhaupt.

Durch die Abkoppelung der Optimierung von der genetischen Grundlage hat eine rasante Beschleunigung der gesellschaftlichen Entwicklung stattgefunden: Immer mehr Menschen machen immer weiter reichendere Erfahrungen und teilen diese immer effektiver anderen mit. Dies führt zu einer exponentiell ansteigenden Lernkurve. Jüngere Menschen empfinden das gegenwärtige Tempo als normal, während ältere Personen die hohe Änderungsrate nicht gewohnt sind.

Wie im biologischen Darwinismus arbeitet der soziale Darwinismus ebenfalls mit zwei Grundvoraussetzungen:
1. Dem Auftreten spontaner Veränderungen in Systemen
2. Dem grundsätzlichen Überangebot an Ergebnissen
Das Studium dieser Prozesse ist Gegenstand der Gesellschaftswissenschaften, biologischer Systeme, von operativem Management, Software- und Netzwerk-Architektur und vielen anderen interdisziplinären Gebieten. Die Aufzählung kann leicht auf weitere Beispiele ausgedehnt werden.

Neun Regeln erfolgreicher Systeme

1. Verteilte Existenz

Ob in einer Gesellschaft, einem Unternehmen, einer biologischen Art, im menschlichen Körper oder im Internet: Funktionalität ist in gewachsenen Systemen über eine Vielzahl von kleineren Einheiten verteilt. Leben, Wissen und Entwicklung entspringen den verteilten Strukturen großer Systeme. Durch die Verteilung werden die Systeme stabiler und unanfälliger gegenüber lokalen Störungen.

Der Ausfall einer begrenzten Anzahl von Einheiten ist in verteilten Systemen ohne Bedeutung. Die Entfernung einer oder weniger einzelner Arbeiterbienen aus einem Volk hat keinen wesentlichen Einfluß auf die Überlebensfähigkeit des Volkes. Die Stillegung eines einzelnen Rechners im Internet ist ohne Folge für das Netzwerk als Ganzes – es war ja gerade die Berücksichtigung möglicher Ausfälle, die ursprünglich das Internet in seiner jetzigen Form hat entstehen lassen. In stabilen Gesellschaften oder Unternehmen sind wesentliche Funktionen ebenfalls auf mehrere Individuen verteilt.

Auch Sie sind ersetzbar. Stehen Sie nicht mehr zur Verfügung: das übergeordnete System wird in der Regel stabil bleiben. Als gewollte Führungsstrategie sollten Sie bewußt “Existenz” in ihrem Einflußbereich verteilen, unersetzbare Strukturen destabilisieren letztendlich ein System.

Schaffen Sie Strukturen, die Stabilität besitzen. “Verteilen” Sie sich, im Berufsleben durch eine entsprechende Aufbau- und Ablauforganisation – im Privatleben durch das sorgfältige Erziehung und Anleiten ihrer Kinder. Im Gegensatz zur Verteilung der Existenz steht die gewollte Unabkömmlichkeit. Unternehmen können oft nicht überleben, da nicht oder viel zu spät an die Weitergabe von Wissen und Macht gedacht wird. Die Nichtbeachtung dieses Prinzips hat z.B. mit zur Ablösung der CDU in der Bundestagswahl 1998 geführt oder vielleicht den Zerfall des Familienunternehmens Nixdorf verursacht.

2. Lokale Autonomie

In komplexen, gewachsenen System ist alles mit allem vernetzt. Viele Prozesse laufen gleichzeitig an verschiedenen Stellen ab und kommunizieren direkt. Die Steuerung von Mega-Systemen erfolgt daher in der Regel nicht zentral, sondern geschieht lokal. In Ausnahmesituationen, die schnelle Reaktionen erfordern, kann nur Autonomie in dezentralen Strukturen erfolgreich das System stabilisieren.

Das vegetative Nervensystem in Organismen reagiert “lokal” auf Reize und hält so wichtige Körperfunktionen auch im bewußtlosen Zustand aufrecht. Die Basis demokratischer Gesellschaften ist in der Regel mit weitreichenden Handlungsvollmachten und Autonomie ausgestattet, zentral werden nur Rahmenbedingungen und Spielregeln aufrechterhalten. Die Vorgänge im Oktober 1989 in der DDR waren die abschließende Antwort auf einen nicht praktikablen Zentralismus und die Wiederherstellung der Subsidarität. Vordergründig “chaotisch” organisierte Systeme wie das Internet bilden von alleine Ordnungsstrukturen und werden dadurch handhabbar.

Setzen Sie in Ihrer Einflußsphäre auf lokale Autonomie: Weitreichende Delegation von Verantwortung, Mitarbeiterorientierung und die Einräumung von Entscheidungsfreiräumen sind das Management-Pendant zur stabilen Steuerung von Systemen durch die Basis.

3. Förderung des Erfolgs

Erfolgreiche Systeme kultivieren und systematisieren Wachstum nicht um jeden Preis. Zu große Strukturen werden schwierig dirigierbar. Erfolg bedeutet dabei oft die Verwertung neuer Möglichkeiten, entstanden durch spontane Veränderungen im System.

In der Natur gibt es eine Vielzahl von Beispielen dieser positiven Rückkopplung: die Rückkehr von Lebewesen zu Nahrungsquellen an bestimmen günstigen Tages- oder Jahreszeiten anstelle unsystematischer Suche erhöht die Überlebenschancen, die Ausprägung und das Erlernen bestimmter Formen des sozialen Verhaltens von Menschen und Tieren läßt den Zusammenhalt und damit die Größe von Gruppen schlagartig anwachsen, die “Erfindung” von neuen Werkzeugen oder Kommunikationsstrukturen durch den Menschen führt zu immer komplexeren Werkzeuge und größeren Wissensbeständen.

Stabile Unternehmen wachsen durch angemessene Förderung von Entwicklungen, selbst wenn diese zunächst nicht zum Kerngeschäft gehören, wie etwa das Post-It Etikett von 3M. Erfolg wird durch Reinvestition in erfolgreiche Technologien erweitert. Egal ob in Wirtschaft, Biologie, Wissensmanagement oder Psychologie: Nichts ist erfolgreicher als Erfolg, die Hausse nährt die Hausse, und wer hat, dem wird gegeben. Mit dem Erfolg kommt auch die Fähigkeit, Rahmenbedingungen verändern zu können. Bill Gates Software-Imperium ist nicht zuletzt deshalb so einflußreich geworden, weil es ihm gelungen ist, durch Macht und rigoroses Marketing Alternativen nicht nur zu verdrängen, sondern sie womöglich überflüssig zu machen.

Fördern Sie daher erfolgreiche Entwicklungen, gehen Sie positiv mit Chancen um und brechen Sie keine Knospen weg, aus denen sich Blüten und Früchte ergeben können. Schaffen Sie Rahmenbedingungen, die Innovation und Kreativität unterstützen. Fördern Sie Begabungen in Ihrem Unternehmen genau so, wie Sie Ihre Kinder fördern würden.

4. Organisches Wachstum

Natürliche stabile Strukturen sind nicht das Ergebnis eines theoretischen Planungsprozesses, sondern sie sind aus einfachen Elementen heraus gewachsen. Jeder Versuch komplexe Organisationen wie Marktwirtschaft oder Wissen “per ordre de mufti” zu schaffen ohne organisches Wachstum zuzulassen wird scheitern. Jedes Untersystem testet seine Beziehung zur Umwelt: ein Prozeß, der vor allem Zeit kostet. Man kann nicht planen, was man noch nicht wissen kann: man muß es gewähren lassen. Komplexität entsteht durch schrittweise Zusammenführung kleinerer Einheiten.

Ein eklatanter Verstoß gegen die Regel des organischen Wachstums war der Übergang von der Kriegswirtschaft zur Planwirtschaft in den früheren sozialistischen Ländern mit den bekannten Folgen. Jedes Hineinregieren von nicht gewachsenen Organisationen und Hierarchien in komplexe Zusammenhänge führt zu fehlerhaften Entscheidungen. Der Bauer im Märchen, der das Wetter macht, hat den Wind vergessen. Auf der anderen Seite hat die Deregulierung von Handel und Wirtschaft für kleinste, kleine und mittelständische Unternehmer in China oder das selbständige Herausbilden von Strukturen im Internet Systeme zur Größe gebracht.

Fördern Sie offene Strukturen in Ihrem Umfeld, lassen Sie Selbstorganisation zu. Prüfen Sie für sich, ob die Vorschläge Ihres Chefs, Ihrer Partner oder unterstellten Mitarbeiter vielleicht doch besser als die eigenen sind. Schaffen und garantieren Sie ein Wertesystem für kleinere Einheiten, das respektiert und anerkannt wird.

5. Vielfalt

Heterogene, diversifizierte Systeme sind durch die Vielfalt bereits vorhandener Strukturen und latent oder real existierender Anpassungsmechanismen stabiler als einheitliche Blöcke. Sie passen sich laufend und tausendfach an die in ihrer Umgebung stattfindenden Änderungen durch permanente kleine Veränderungen an. Durch eine Vielzahl laufender Mikro-Revolutionen wird ein kollektiver Zustand ständiger Veränderung geschaffen, der wenigen, aber gefährlichen Makro-Revolutionen überlegen ist. In ökonomischen, ökologischen, evolutionären und institutionellen Modellen fördert Vielfalt Anpassung, stärkt Widerstandsfähigkeit und ist die Grundlage von Innovation.

Es ist kein Zufall, daß in unserer Zeit diejenigen Staaten am innovativsten sind, die ihren Mitgliedern gegenüber am tolerantesten begegnen. Exzentrizität oder “Spleenigkeit” ist ein wesentliches Element anglo-amerikanischer Kultur: in diesen Ländern ist die Innovationsfähigkeit am größten. Im asiatischen Kulturkreis dagegen wird individuelle Exzentrizität abgelehnt. Vielfalt auf japanisch bedeutet die Förderung von Optimierungsprozessen (Kaizen) und institutionalisierte Variantengeneration für den Verbraucher. Eine multikulturelle Zusammensetzung macht Gesellschaften in gleicher Weise stabil wie Mischkultur in einem Wald, der  ein monokultivierte Wald wird anfällig gegenüber geänderten Einflußgrößen wie Schädlinge oder Sturm.

Lassen Sie in Ihrem Umfeld Vielfalt zu. Gestatten Sie die Äußerung und Diskussion auch unkonventioneller Lösungsansätze. Fördern Sie Verbesserungen, Erfindungen, neue Methoden und Werkzeuge. Bringen Sie Betriebs-, Geistes- und Naturwissenschaftler zusammen. Stellen Sie eine geeignete kulturelle Mischung in Ihrem Umfeld her.

6. Fehlertoleranz

Sowohl Evolution als auch Management sind der systematische Umgang mit Abweichungen, und Fehler sind ein integraler Bestandteil jedes Entwicklungsprozesses. Stabile Systeme sind durch Fehlertoleranz statt Fehlerinquisition gekennzeichnet. Der Übergang zu neuen bahnbrechenden Lösungen ist ein “gewollter” Fehler.

Die Entwicklung der Luft atmenden Tiere, der Vögel, oder denkender Primaten sind angenommene “Fehlerereignisse” in der Selektionstheorie. Der Mensch selbst ist ein "fehlerhafter Affe" mit einigen von der Natur bislang tolerierten Eigenschaften. Fehler sind der Vater vieler Erfindungen: Es gäbe kein Porzellan, wenn nicht bei der alchemistischen Herstellung von Gold “Fehler” gemacht worden wären. Das operative Qualitätsmanagement im Unternehmen setzt sich systematisch mit Fehlern und Fehlerbewertung auseinander.

Praktizieren Sie Fehlertoleranz anstelle Fehlerinquisition. Nutzen Sie die Möglichkeiten im Reklamations- und Beschwerdemanagement, fördern Sie Korrekturmaßnahmen, führen Sie Bewertungen durch. Verwerfen Sie nicht geeignete, innovative Lösungen zu einem vorhandenen Problem (sog. Fehler 1. Art), und akzeptieren Sie keinen offensichtlichen Mängel (Fehler 2. Art).
 
7. Mehrfache Ziele

Der Kampf ums Überleben erfordert die Optimierung eines Paketes vieler gleichzeitiger verschiedener Ziele. Gute Systeme sind solche, die verschiedenen, oft extrem unterschiedlichen  Herausforderungen gerecht werden. Hocheffiziente einfache Lösungen genügen oft nur wenigen Anforderungen. Das Verhältnis zwischen der Optimierung eines aktuellen Bedürfnisses und dem Einsatz oder sogar der Verschwendung von Ressourcen zur Entwicklung anderer Methoden muß ausgewogen sein.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Bedienung mehrfacher Ziele ist der Mensch selbst: es gibt Lebewesen, die schneller laufen, länger schwimmen oder besser klettern können, aber niemand kann nach einem Dauerlauf einen See durchschwimmen um anschließend auf einen Baum klettern. Ein Paket im Internet kommt immer an, weil es über viele, vorher nicht festgelegte Rechner geschickt wurde.

Geben Sie verschiedene Ziele vor und lassen Sie Ressourcen für die Entwicklung neuer Methoden frei. Versuchen Sie nicht, beim Kostenmanagement den Bogen zu überspannen: vielleicht liegt ja die Steigerung Ihrer Überlebensfähigkeit in verstärkter Kundenorientierung, in der Entwicklung neuer Produkte, oder anderswo. Haben Sie Mut, auch zu neuen Ufern aufzubrechen. Vergessen Sie Ihre vorgefaßte Meinung und freuen Sie sich über Neues.

8. Gewolltes Ungleichgewicht

Leben ist Veränderung, stationäres Gleichgewicht ist Tod. Anpassungsfähige Systeme befinden sich in einem ständigen Austausch mit Ihrer Umwelt. Sie erproben sich ständig und dringen in die Grenzbereiche zwischen Sicherheit und Risiko, Bequemlichkeit und Gefährdung vor. Weder absolutes Gleichgewicht noch unkontrollierbare Instabilität sind gefragt.

Biologische Systeme kämpfen um Raum und Nahrung gegen andere, konkurrierende Lebewesen. Unternehmen profitieren in der Beschaffung vom Prinzip der zwei Schlüssellieferanten für eine Leistung um Preis und Qualität zu optimieren. Bei vielen Verzweigungsmöglichkeiten werden sich brauchbare Lösungen von alleine durchsetzen. Wettbewerb ist kein Selbstzweck, sondern dient immer der persönlichen Freiheit und der ökonomischen Effizienz.

Lassen Sie Wettbewerb in Ihrem Umfeld zu. Stellen Sie Bestehendes in Frage, provozieren Sie die Auseinandersetzung mit Grenzsituationen. Ein gesunder, kontrollierter Wettbewerb unter Ihren Mitarbeiter bringt das gesamte Unternehmen voran.

9. Veränderung der Regeln

Auch Veränderungsprozesses haben eine Struktur und sind selbst Gegenstand der Veränderung. Der Prozeß, mit dem sich Regeln und Verhaltensmuster entwickeln, ist in keiner Weise vorgegeben, sondern er entwickelt sich im Rahmen der Evolution. Wie beim Spiel werden manchmal neue Spielregeln festlegt – und angenommen. Wenn elementare Evolution die Veränderung von Systemen ist, dann ist fortgeschrittene Evolution die Änderung der Veränderungsmechanismen. Sogar die hier vorgestellten 9 Gesetzmäßigkeiten sollen hiervon nicht ausgenommen sein.

Die Menschheit verdankt ihre Kultur dem Übergang von der genetischen Evolution zur kulturellen Evolution, d.h. dem Lernen durch Sprache und Schrift anstatt durch erbliche Übertragung. Die großen gesellschaftlichen Revolutionen entstanden durch eine Veränderung der gesellschaftlichen Spielregeln. Neue Problemlösungen sind durch neue Programmiersprachen möglich geworden, etwa durch JAVA oder JINI.

Prüfen Sie, ob in Ihrem Umfeld elementares (inkrementales) oder fortgeschrittenes (radikales) Veränderungsmanagement praktiziert wird. Haben Sie den Mut, in verfahrenen Situationen auch neue Spielregeln zuzulassen. Achten Sie darauf, daß dabei stabile, universalisierbare Verhaltensregeln entstehen. Machen Sie die neuen Regeln transparent und sichern Sie diese im System ab.

Zusammenfassung

Die hier beschriebenen 9 Gesetzmäßigkeiten sind in Staaten, Gesellschaften, Organisationen, Unternehmen, Haushalten, Familien, im Selbstmanagement, in biologischen Systemen, in Psychologie, Soziologie und vielen anderen Bereichen anzutreffen. Analysen bestätigen ausnahmslos die Mächtigkeit dieser Prinzipien.

Die angeführten  Regeln sind nicht deterministisch, sondern geben einen Rahmen für Entscheidungen vor. Es ist Ihre Aufgabe, daraus eigene Verhaltensregeln abzuleiten und zuzulassen.

Literatur:
Erich Hoppmann: Eine universelle Quelle von Ordnung, FAZ Nr. 289 (1998), S. 15
Kevin Kelly: Out of Control, Addison-Wesley, 1995

Dr. Ulrich Finkenzeller (www.drfinkenzeller.de) ist Berater, externer ISO 9000 u. SA8000 Auditor und im strategischen Entwicklungs- und Innovationsmanagement tätig.

© Dr. U. Finkenzeller, Schwetzingen-Plankstadt 2000